Tinnitus – Symptome, Ursachen und Co.

Frau leidet unter Tinnitus und bedeckt ihre Ohren mit Kissen.

Egal ob Ohrgeräusche, Ohrensausen, Piepen im Ohr oder Ohrenpfeifen – für den Tinnitus gibt es viele Bezeichnungen. Fast jeder Mensch hat bereits einmal unter derartigen Symptomen gelitten. Doch was genau ist ein Tinnitus eigentlich und wie entsteht er? Wer ist davon betroffen und was können Menschen mit Ohrgeräuschen dagegen unternehmen? Wir erklären es Dir!

Alles im Überblick:

Was ist Tinnitus und wer ist betroffen?

Der Begriff Tinnitus (oder fachsprachlich Tinnitus aurium) bezeichnet Ohrgeräusche, welche Betroffene unter anderem als

  • Piepen,
  • Rauschen,
  • Pochen,
  • Klopfen,
  • Klicken oder
  • Brummen im Ohr

wahrnehmen. Einige Patienten beschreiben auch ein Gefühl, als ob sie Watte in den Ohren hätten oder diese unter Strom stünden. Ein Tinnitus kann sich sowohl einseitig als auch auf beiden Ohren gleichzeitig bemerkbar machen. Zudem ist ein eher schleichender oder auch plötzlicher Beginn möglich.
In vielen Fällen treten die Ohrgeräusche nur leicht in Erscheinung, lassen sich durch andere Laute übertönen oder verschwinden nach kurzer Dauer wieder (oft bereits nach nur einer Minute).1 Bei manchen Betroffenen bleibt der Tinnitus aber länger bestehen oder wird gar chronisch (Beschwerden halten länger als drei Monate an).2 Neben dem eigentlichen Ohrenpfeifen ist es dann wahrscheinlich, dass weitere Symptome durch Tinnitus auftreten.

Patienten leiden vermehrt unter:

  • Stress
  • Gereiztheit
  • Nervosität
  • Schlafstörungen
  • Konzentrationsproblemen
  • Geräuschüberempfindlichkeit

Wer ist von Tinnitus betroffen?

Laut Deutscher Tinnitus-Liga e.V. leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen (über zehn Jahre) unter akutem oder chronischem Tinnitus.Das macht Tinnitus zu einer der am weitesten verbreiteten Gehörbeeinträchtigungen.

Je nach Intensität und Ausprägung der Tinnitus-Symptome lassen sich verschiedene Schweregrade unterteilen4:

  1. 1. Grad:
    Es besteht kein Leidensdruck. Der Tinnitus lässt sich noch leicht übertönen.
  2. 2. Grad:
    Die Symptome machen sich vor allem bei Stille bemerkbar und wirken bei Stress störend.
  3. 3. Grad:
    Die Ohrgeräusche beeinträchtigen ständig das Privat- und Berufsleben. Emotionale, kognitive oder körperliche Beschwerden (Muskelverspannungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen) treten auf.
  4. 4. Grad (Dekompensation):
    Die Störgeräusche lassen sich nicht mehr überdecken. Es kommt zu starken Behinderungen im Alltag, häufig verbunden mit Berufsunfähigkeit.

Mit dem TQ12-Fragebogen kannst Du einen Arztbesuch schon vorbereiten, indem Du den Schweregrad Deines Tinnitus selbst einschätzt:

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Wie entstehen die Ohrgeräusche?

Experten unterscheiden zunächst zwei Tinnitus-Arten, hinter denen verschiedene Auslöser stecken:

Objektiver (pulssynchroner) Tinnitus

Die Ohrgeräusche sind objektiv – also nicht nur vom Betroffenen, sondern auch von anderen Personen (wie dem Arzt) – hörbar. Auslöser für das wahrgenommene Rauschen im Ohr ist in der Regel eine konkrete organische Veränderung vor allem im Gefäßsystem. Hier lässt sich die Ursache meist durch verschiedene Untersuchungsmethoden exakt bestimmen und behandeln. Ein objektiver Tinnitus kommt allerdings nur sehr selten vor5.

Subjektiver Tinnitus

Diese Form ist weitverbreitet3. Das Ohrenpfeifen vernimmt dabei nur der Patient. Mediziner sehen den subjektiven Tinnitus in einer fehlerhaften akustischen Reizverarbeitung begründet. Vereinfacht gesagt führt eine Schädigung des Innenohres zu irregulären Erregungen im Bereich der Hörbahn.
Die Hörverarbeitung sortiert diese Reize normalerweise wieder aus, da es ihre Aufgabe ist, nur potenziell wichtige Geräusche ins Bewusstsein durchzulassen. Bei Stress, Verspannungen im Kiefer- und Nackenbereich oder akuten Hörstörungen gelangen solche Signale allerdings ungefiltert in die Hörrinde und werden dort als Geräusche wahrgenommen.

Auch andere Körpergeräusche wie den Herzschlag oder ein Gefäßrauschen können Patienten auf diese Weise als Tinnitus erleben. Da das Ohrgeräusch selbst dann auch wieder zu Stress und negativen Emotionen führt, entsteht schnell ein Teufelskreis und die Belastung eskaliert.

Weitere Auslöser

Als Ursache für einen subjektiven Tinnitus kommt also eine Vielzahl an Auslösern und Ohrerkrankungen infrage:

  • verstopfter Gehörgang (durch Ohrenschmalzpfropfen)
  • Mittelohrentzündungen oder -belüftungsstörungen (etwa bei Erkältungen)
  • Lärmbelastung oder Knalltrauma
  • Hörsturz (plötzliches Einsetzen von einseitigen Hörproblemen bis hin zum kompletten Hörverlust ohne eindeutige Ursache)
  • Schwerhörigkeit im Alter
  • Kieferfehlstellungen oder Verspannungen der Kiefer- und Nackenmuskulatur
  • bestimmte Medikamente, die das Innenohr schädigen (zum Beispiel Chemotherapie- oder Malariamittel)
  • starker Stress, Burnout und psychische Belastungen
  • psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen

Hörverarbeitung und Tinnitus: Der Zusammenhang

Hören ist nicht gleich Hören: Der Prozess läuft in zwei Phasen ab. Zunächst geschieht das sogenannte periphere (auditive) Hören über die Ohren. Dem schließt sich das zentrale Hören an, welches im Gehirn abläuft und sich wiederum unterteilt in:

 

  1. Hörverarbeitung: Das Gehirn nimmt unbewusst akustische Signale wahr – und zwar ständig, auch im Schlaf.
  2. Hörwahrnehmung: Hier erfassen wir Geräusche bewusst und deshalb ausschließlich im Wachzustand.

Zentrales Hören umfasst also kurz gesagt das

  • Aufnehmen,
  • Weiterleiten,
  • Verstehen,
  • Erfassen und
  • Einordnen

von Geräuschen.

Was haben Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung mit Tinnitus zu tun?

Die Hörverarbeitung findet auf mehreren Ebenen statt und ist in verschiedenen Teilen des Gehirns eng verknüpft. Vor allem das vegetative Nervensystem, das uns bei drohender Gefahr schnell in Alarmbereitschaft versetzt, steht mit ihr in enger Wechselwirkung.

Ungewöhnliche oder potenziell bedrohliche Geräusche, wie das nächtliche Knarren einer Tür oder ein plötzlich auftretender Tinnitus, lösen deshalb eine Stressreaktion aus. Gleichzeitig verliert die Hörverarbeitung ihre Sortierfunktion und beginnt, unterschiedslos alle Geräusche zu verstärken. Möglichst viele Informationen sollen so die effektive Abwehr der Gefahr ermöglichen. Eine Verschlimmerung des Tinnitus und eine Hyperakusis (Geräuschüberempfindlichkeit) sind dann häufig das Ergebnis.
 

Mit einem Tinnitus wird zu dem oft ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Das unangenehme Geräusch in den Ohren zieht die Aufmerksamkeit auf sich und provoziert negative Gedanken. Diese negativen Gedankenschleifen verursachen wiederum Stress und verstärken damit den Tinnitus. Das Geräusch erhält noch mehr Aufmerksamkeit und produziert noch mehr Stress. Stress ist daher sowohl Ursache als auch Folge des Tinnitus.

Ziel der Therapie ist es genau diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Deshalb ist eine aktive Mitarbeit bei der Therapie äußerst wichtig.
 

Teufelskreis Tinnitus: Das Ohrgeräusch löst Stress aus, wodurch sich der Tinnitus verschlimmert.
Teufelskreis Tinnitus: Das Ohrgeräusch löst Stress aus, wodurch sich der Tinnitus verschlimmert.

So durchbrichst Du den Tinnitus-Teufelskreis!

Die Behandlung eines Tinnitus kann auch nach vielen Jahren noch erfolgreich gelingen: Ob das Ohrgeräusch stört, entscheidet sich nämlich nicht im Ohr, sondern im Kopf – genauer gesagt im Bereich der Hörverarbeitung. Und die lässt sich positiv beeinflussen.

Dazu bedarf es eines individuellen Vorgehens aus aufeinander abgestimmten Therapiebausteinen. Schrittweise führt dieses dann dazu, dass der Betroffene lernt, den Tinnitus zu bewältigen, statt von ihm überwältigt zu werden. Neben der Wissensvermittlung sind die wichtigsten Therapiebausteine:

  1. Verhaltenstraining zur Veränderung der Einstellung gegenüber dem Tinnitus
  2. Entspannungsübungen zur Beruhigung des vegetativen Nervensystems
  3. akustische Tinnitus-Therapie zur direkten Beeinflussung der Hörverarbeitung

Da es sich bei allen Maßnahmen um Lernprozesse handelt, dauert die Behandlung eines chronischen Tinnitus mehrere Monate6 . Der Fortschritt der Behandlung hängt vor allem von der Kontinuität und Intensität der Therapiemaßnahmen ab.

Anhaltendes Pfeifen im Ohr – wann solltest Du zum Arzt gehen?

Ein akuter Tinnitus aurium, beispielsweise nach einem Konzertbesuch, verschwindet in der Regel nach wenigen Stunden wieder von selbst7. Sollte der plötzliche Tinnitus jedoch länger anhalten oder mit Hörstörungen oder Gehörlosigkeit einhergehen, gilt es lieber früher als später einen Arzt aufzusuchen. Einen geeigneten Tinnitus-Experten zu finden ist meist nicht so einfach. Unsere Arztsuche kann helfen, einen Arzttermin zu vereinbaren.

Zuständig für die Tinnitus-Diagnose ist der HNO-Arzt. Nachdem er den Patienten in einem ausführlichen Gespräch zu verschiedenen Aspekten (beispielsweise Intensität, Charakteristik und Dauer des Tinnitus sowie Begleitbeschwerden wie eine Hörminderung oder Schwindel) befragt hat, untersucht er den Ohrenbereich genauer.

Bei einer Ohrmikroskopie betrachtet der Mediziner die äußeren Gehörgänge und das Trommelfell mithilfe eines speziellen Mikroskops. So erkennt er zum Beispiel Verstopfungen, Entzündungen oder Verletzungen im Ohr erkennen. Zudem stellt der HNO-Arzt anhand von verschiedenen Hörtests fest, ob eine Schädigung des Mittel- oder Innenohres vorliegt. Anhand der Schilderung des Betroffenen kann er auch den Schweregrad des Tinnitus diagnostizieren.

Bei einer Frau mit Tinnitus wird der Schweregrad anhand verschiedener Hörtests ermittelt
Der Schweregrad eines Tinnitus wird anhand verschiedener Hörtests ermittelt

Tinnitus – nicht nur ein Fall für den HNO-Arzt

Wird der Tinnitus durch eine andere Erkrankung (Fehlstellungen der Halswirbelsäule, Herz-Kreislauf-Schwäche, Burnout) ausgelöst, verweist der HNO-Arzt den Patienten zur Diagnose und Behandlung womöglich an einen Kollegen eines anderen Fachbereichs (beispielsweise Orthopäden, Internisten oder Psychologen).

Was hilft gegen das Piepen im Ohr?

Bei der Tinnitus-Behandlung ist besonders die Ursache für das Piepen im Ohr zu berücksichtigen. Liegt beispielsweise eine akute Innenohrschädigung vor, unterstützt die kurzfristige und hochdosierte Gabe von Kortikosteroiden die Heilung.

Im Fall eines chronischen Tinnitus (länger als drei Monate) helfen Medikamente dagegen nicht. Hier kommt es vor allem darauf an, die Hörverarbeitung dazu zu bringen, das lästige Ohrgeräusch zu unterdrücken, statt es zu verstärken. Das gelingt einmal über eine Hörverbesserung, wenn bereits eine Hörschädigung vorliegt, und zum anderen durch eine kognitive Verhaltenstherapie.

Hierdurch wird die Reaktion von Stress- und emotionalem System auf den Tinnitus so verändert, dass das Geräusch immer mehr in den Hintergrund tritt und die Belastung schon nach relativ kurzer Zeit sinkt. Denn das Problem beim Tinnitus ist nicht das Geräusch selbst, sondern erst die unterbewusst ablaufende Reaktion auf das Ohrgeräusch.

Es gibt also einige Maßnahmen zur Selbsthilfe, was Du gegen das Pfeifen im Ohr unternehmen kannst. Trotzdem ist die Heilung eines Tinnitus aurium – vor allem in chronischen Fällen – manchmal unmöglich, denn die zugrunde liegenden Schäden des Innenohres sind häufig irreversibel. Mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen gelingt es jedoch, auch einen chronischem Tinnitus wieder auszublenden, sodass er im Alltag immer seltener stört.

Wie gefährlich ist ein Tinnitus?

Der Tinnitus selbst ist ungefährlich und weist normalerweise auf keine ernste Erkrankung hin. Die Einschränkungen und Folgen, die aufgrund der Ohrgeräusche bei falscher oder fehlender Tinnitus-Therapie entstehen können, sind dennoch nicht zu unterschätzen. Manche Betroffene sehen sich durch das ständige Piepen im Ohr kaum noch in der Lage, private und berufliche Herausforderungen zu bewältigen.

Hinzu kommt, dass der Tinnitus für Patienten oft Dauerstress bedeutet und sich hieraus leicht psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depression entwickeln oder verstärken können.4 Zudem fällt es vielen Menschen schwer, aufgrund des ständigen Pfeifens im Ohr ausreichend Schlaf zu finden – ein Teufelskreis entsteht. Auch das Einschlafen fällt Betroffenen oft schwer. So sind chronische Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und generell geringere Leistungsfähigkeit aufgrund von Ohrgeräuschen möglich. Umso wichtiger ist es daher, dass sich Menschen mit Tinnitus nicht einfach mit ihrem Schicksal abfinden, sondern sich an einen Arzt wenden und eine wirksame Tinnitus-Behandlung beginnen.

FAQ: Häufige Fragen und Antworten zum Thema Tinnitus

Ohrgeräusche wie Piepen, Rauschen, Pochen, Klopfen, Klicken oder Brummen bezeichnen Fachleute als Tinnitus. Sie können entweder vorübergehend auftreten oder dauerhaft bestehen bleiben.

Mehr erfahren

Es gibt verschiedene Ursachen für einen Tinnitus. Neben einer fehlerhaften Hörverarbeitung sind das zum Beispiel Ohrenentzündungen, 
Knalltraumata, Hörstürze, Schwerhörigkeit, Verspannungen, bestimmte Medikamente, Stress oder psychische Erkrankungen.

Die meisten Ohrgeräusche verschwinden nach kurzer Zeit von allein, teilweise sogar schon nach einer Minute1. Wenn der Tinnitus jedoch länger anhält, schlimmer geworden ist oder Hörstörungen hinzukommen, solltest Du frühzeitig zum HNO-Arzt gehen.
 

Das hängt von der Ursache des Ohrgeräuschs ab. Besonders in chronischen Fällen kommt es auf den Umgang mit dem Tinnitus an. Durch verschiedene Maßnahmen lernst Du, das Geräusch in den Hintergrund treten zu lassen und weniger stark als Belastung wahrzunehmen.

Das Ohrgeräusch an sich ist ungefährlich. Allerdings führt es bei vielen Betroffenen zu psychischen Belastungen. Das kann so weit gehen, dass sie Schwierigkeiten haben, ihren Alltag zu bewältigen.

Auf das auditive Hören über das Ohr folgt das zentrale Hören im Gehirn: Dabei laufen Hörverarbeitung und Hörwahrnehmung parallel. Erstere erfolgt unterbewusst, Letztere bewusst. Sie umfassen Aufnahme, Weiterleitung, Verstehen, Erfassen und Einordnen von Geräuschen.